Finnland, Reiseberichte
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Finnland – 11. Tag – 459

21.05.2023 Finnland (459): Auf der Suche nach der Frühjahrs-Giftlorchel

Schon gestern abend teilte mir mein Vermieter Matti mit, dass er Morgen zum Pilzesammeln fährt und mich gerne mitnehmen würde. Ich sagte zu. Nach dem Mittagessen geht es los. In Finnland gibt es eine App, die alle gerodeten Waldflecken auflistet. Die Frühjahrs-Giftlorchel ist auf Kiefern-Kahlschlägen zu finden. Sie wächst dabei um Stümpfe, bei aufgehäufter Borke oder von Holzabfällen und unter Reisig. Durch gestörte Bodenverhältnisse wird das Wachstum offenbar begünstigt. Gesucht wird also eine gerodete, umgepflügte und trockene Waldstelle, etwa 1-2 Jahre alt. Dort sollen die Lorcheln zu finden sein. Die ersten zwei Stellen, die wir anfahren, bringen nichts. Dafür kann ich einige Aufnahmen der dort befindlichen Insekten machen. In der kurzen Zeit finde ich eine Beerenwanze (Dolycoris baccarum), eine Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), immer wieder Grüne Zipfelfalter (Callophrys rubi) und Baumhummeln (Bombus hypnorum).

Matti macht mich darauf aufmerksam, dass die Lorcheln giftig sind und die Leber zersetzen. Bei Wikipedia steht dazu: Durch den Verzehr der Frühjahrs-Giftlorchel können starke oder sogar tödliche Vergiftungen entstehen. Die dabei auftretenden Symptome werden als Gyromitra-Syndrom bezeichnet und sind jenen bei einer Vergiftung mit Knollenblätterpilzen (Phalloides-Syndrom) sehr ähnlich. Gemeinsamkeiten bestehen auch in der verhältnismäßig langen Latenzzeit und dem zweiphasigen Erscheinungsverlauf der Symptome. Es treten Schädigungen der Leber, Funktionsstörungen der Nieren, eine Zersetzung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) und Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems auf. Der Verzehr roher oder ungenügend erhitzter Fruchtkörper führt zu schweren Vergiftungen. Bei der Zubereitung der Pilze werden diese mehrmals, üblicherweise zweimal, abgekocht und das Kochwasser weggegossen. Sogar die dabei entstehenden Dämpfe sollten nicht eingeatmet werden, da auch diese zu Vergiftungen führen können. Aus diesem Grund kann es vorkommen, dass ein Koch, der die Pilze zubereitet, sie selbst aber nicht verzehrt, eine Vergiftung erleidet, während Personen, die die Fruchtkörper verspeisen, anschließend keine Beschwerden haben. Als genießbar gelten auch gut getrocknete Fruchtkörper. Gyromitrin ist flüchtig und instabil, so dass es bei längerem Kochen und Trocknen entweicht. Vergiftungen treten dann nur selten und meist nach dem Verzehr großer Mengen auf. Dennoch sind schwere Vergiftungen nach dem Verzehr, insbesondere in Osteuropa, trotz entsprechender Behandlung bei der Zubereitung nicht selten. Aus diesem Grund wird die Frühjahrs-Giftlorchel im deutschsprachigen Raum als tödlich giftig eingestuft. Vergiftungen und auch tödliche Auswirkungen können beim Verzehr der Pilze nicht ausgeschlossen werden. Von dem Konsum ist daher bei allen Zubereitungsformen dringend abzuraten. Versuche mit Mäusen weisen zudem auf eine krebsfördernde Wirkung hin, mit der auch bei getrockneten Fruchtkörpern noch zu rechnen ist.

Bei der dritten Rodungsstelle werden wir fündig. Julia, Mattis Ehefrau, findet die erste Frühjahrs-Giftlorchel (Gyromitra esculenta). Nachdem ich sehe, wie sie aussieht, finde ich die nächsten zwei Lorcheln. Nach dem Hinweis auf die Giftigkeit rühre ich keine an, sondern überlasse das Pflücken Matti und Julia. Nach einer knappen Stunde haben wir beireits eine größere Menge der Pilze gefunden.

Durch den Gesang eines Braunkehlchens werde ich abgelenkt und gehe in Richtung des Gesangs. Es dauert etwas, bis ich das Braunkehlchen sehe.

Dann wird weiter der Boden nach den Giftlorcheln abgesucht. Nach 90 Minuten ist die Tüte mit ca. viereinhalb Kilo gut gefüllt.

Bevor es zurück zur Wohnung geht, gibt es noch einen Stopp unterwegs an einer der vielen Grillhütten, die noch nicht besetzt ist. Hier ist alles vorhanden, was es braucht, Kaffee zu kochen und Würste zu grillen. Ausreichend Holz steht zur Verfügung. Kaffeepulver, Wasserkessel, Wasser, Würste und Getränke haben wir dabei, der Senf wird von mir gestellt. Dann kann es losgehen. Matti kümmert sich um die Feuerstelle. Der Kaffee wird traditionell gekocht. Kaffeepulver in einen mit Wassergefüllten Topf einfüllen und über dem Grill zum Kochen bringen. So geht das! Dann werden die Würste gegrillt.

Nach ausreichender Sättigung wird das Feuer gelöscht und Matti und Julia zeigen mir auf dem Heimweg noch die Stromschnelle Koiteli. Für Rauchschwalben ist die Stromschnelle ein gutes Jagdrevier. Auf einer Insel der Stromschnelle gibt es viele Grillplätze, die an diesem herlichen sommerlichen Sonntag alle gut besetzt sind. Auch hier wird das Holz von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Auf einem Felsen am Ufer hat sich eine nicht näher zu bestimmende Steinfliege (Nemouridae indet.) eingefunden. Inmitten der Stromschnelle halten sich zwei Angler auf.

Zurück bei der Wohnung müssen die Frühjahrs-Giftlorcheln von Sand und Dreck befreit werden. Bei der Menge von Lorcheln eine langwierige Arbeit. Dann werden sie einmal gekocht, das Wasser weggeschüttet. Ein weiteres Mal gekocht und wieder das Wasser weggeschüttet. Jetzt sollten sie genießbar sein. Nach dem Putzen und Kochen sind noch 1.890 Gramm übrig. Man kann mit den Frühjahrs-Giftlorcheln auch Geld verdienen. In unserem Fall wären es 189 Euro. Eine Steuer wäre nicht abzuführen. Bedenkt man den Aufwand sie zu suchen, putzen, waschen und kochen, was für zwei Leute ca. 8 Stunden gekostet hat, dann ist der Stundenlohn nicht allzu hoch. Da isst man sie lieber, wenn man sich traut. Bin sehr gespannt, ob ich dazu eingeladen werde.

Kategorie: Finnland, Reiseberichte

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Naturfotograf, Citizen Scientist Mitglied im Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) Mitglied beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Mitglied der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern e.V. Mitglied der Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens München e.V.

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