Limburg/Wiesbaden, Tagesausflüge
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Eisenerzgewinnung bei Wirbelau – 366

Erlengast, Erdkröte, Fransenfledermäuse, Olivbraune Höhlenspanner, Bechsteinfledermäuse, Gemeine Höhlenstelzmücke, Bräunlich-durchscheinende Köcherfliege, Brunnenspinne, Stalaktiten, Pilzskulpturen

26.09.2022 Eisenerzgewinnung bei Wirbelau

Heute habe ich die Möglichkeit, mit meinem Freund Herbert Friedrich den Wittekindstollen in Augenschein zu nehmen.

Schon vor vielen Jahrhunderten (evtl. schon zur Zeit der Kelten) wurde bei Wirbelau an der Oberfläche gefundenes Eisenerz geschmolzen. Später erfolgte die Erzgewinnung in großem Stil im Tagebau. Die Förderung des Eisensteins aus der Schachtanlage Georg-Joseph begann bereits 1807. Georg-Joseph war die größte Eisenerzgrube im Lahn-Dill-Gebiet und förderte rund 3 Millionen Tonnen kalkhaltigen Roteisenstein. Neben über 200 Beschäftigten waren 8 Pferde zur Erzgewinnung tätig. Heute werden aus der Schachtanlage Teile der Gemeinde Beselich, des Marktfleckens Villmar sowie der Stadt Runkel mit Trinkwasser versorgt.

Der Wittekindstollen führt bis zur Schachtanlage von Georg-Joseph, der tiefste Punkt liegt etwa 350 Meter unter der Erdoberfläche. Schon bevor wir den Eingang des Schachts erreichen, finde ich auf einer Schautafel bereits die erste Überraschung: ein Erlengast (Pantilius tunicatus). Adulte Wanzen treten erst ab Mitte August oder gar erst ab September auf. Also bin ich genau zur richtigen Zeit vor Ort.

Für den Fledermausschutz ist der Stollen mit einer für Fledermäuse passierbaren Eisentür verschlossen. Der Wittekindstollen gilt als eines der wichtigsten regionalen Winterquartiere für Große Mausohren (Myotis myotis) mit bis zu ca. 30 Tieren. Außerdem wurden gelegentlich einzelne Bechsteinfledermäuse (Myotis bechsteinii) angetroffen.

Herbert Friedrich und Karl Kugelschafter haben bereits 2012 die Nutzung des Wittekindstollens durch Fledermäuse sowie deren Bestandsdynamik im Jahresverlauf untersucht. Im Winter 2021/22 überwinterten über 500 Fledermäuse im Stollen. Einige der Ergebnisse aus 2012 stelle ich hiermit zur Verfügung.

Der Eingang ist verschlossen, und Herbert Friedrich hat den Schlüssel! Ab und zu macht er Führungen, heute für mich und einen Bekannten. Es ist nicht klar, was uns im Schacht erwartet. Hinter dem Eingang hat sich eine Erdkröte (Bufo bufo) ein Winterquartier gesucht.

Wir betreten den Schacht. An der Decke hängt eine Fledermaus. Es ist eine Fransenfledermaus (Myotis nattereri). An den Wänden ruhen Olivbraune Höhlenspanner (Triphosa dubitata). Als nächstes hängt über mir eine Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii).

Am nassen Stollenrand hat ein Pilz eine tote Gemeine Höhlenstelzmücke (Limonia nubeculosa) überzogen, daneben befindet sich an der Wand noch eine Lebende.

Weiter geht es im Stollen bis zu einer weiteren Bechsteinfledermaus, die noch sehr munter reagiert.

Durchsickerndes Wasser führt zu wunderschönen Gebilden und Farbenspielen, z.B. Kalkkristalle mit Sinterbecken. Manche Stellen erinnern an Vulkane.

Der weiße Pilz ist immer wieder zu finden, hier anzusehen wie kleine Wattebäuschchen. Ein Grubenholz ist mit einem gelben haarigen Pilz überzogen. Die Pilze sind sicher über das viele verbaute Holz im Stollen eingetragen.

Über die Zeit sind Ansätze von Stalaktiten an der Stollendecke zu sehen. Einige vom Kalk ganz weiß, andere farbig vom Kupfersulfat, das auch an den Wänden zu sehen ist. An manchen Stellen an der Wand sind Rotschiefer und Quarzschichten schön zu erkennen und anzuschauen.

Das am Stollenboden zu sehende Fadengeflecht ist kein Eisendraht, sondern der Pilz. Und dieser bildet die schönsten Skulpturen.

Einige der Quergänge sind trotz der Eisenverstrebungen eingestürzt, andere Gänge sind teilweise verschüttet, oder wie der auf dem Bild nicht mehr begegbar. Zu sehen ist links der grüne Diabas, aufgrund seiner Färbung auch Grünstein genannt. Früher führte der Seitenstollen bis zu einem Lüftungsschacht, der nun aber verschlossen ist. Damit fehlt am Ende des Stollens das wichtigste zu Begehen – der Sauerstoff. Der Hauptgang endet für uns nach 1500 Metern am großen Schacht. Der Weg zurück führt an weiteren Stalaktiten vorbei.

Die nächste Fledermaus an der Stollendecke ist wieder eine Fransenfledermaus. Und nicht weit von ihr entfernt hängt eine Bechsteinfledermaus.

Fast am Ausgang angekommen, ruhen an den Wänden die Olivbraunen Höhlenspanner zu dritt oder zu zweien.

Eine Bräunlich-durchscheinende Köcherfliege (Stenophylax permistus) hat im Stollen ebenfalls Unterschlupf gefunden.

Am Boden im Wasser sind die Reste einer toten Fledermaus zu erkennen.

Zum Abschluss lässt sich noch eine Brunnenspinne (Metellina merianae) beobachten, die gerade ein Netz zu spinnen beginnt.

Wieder am Auto spaziert eine nicht zu bestimmende Spinne auf der Kühlerhaube meines Autos. 

Kategorie: Limburg/Wiesbaden, Tagesausflüge

von

Naturfotograf, Citizen Scientist Mitglied im Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) Mitglied beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Mitglied der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern e.V. Mitglied der Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens München e.V.

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